Kölner Wochenspiegel vom 13.12.2013: Was Demenz für Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte bedeutet, welche Versorgung es gibt und ob ein gutes Leben mit der Krankheit möglich ist, waren einige der Themen, die im Rahmen der Veranstaltung „Demenz neu denken“ im Heinrich-Püschel-Haus (Neuer Grüner Weg 25) des Clarenbachwerks im Fokus standen. Dabei lauschte das Publikum teils amüsiert, teils ergriffen.
Denn mit Witz und entwaffnender Offenheit erzählte zum Beispiel Alwin Huttanus, der im Altenzentrum
Deckstein des Clarnebachwerks lebt, von seiner Identitätssuche als junger Hippie in Poona: „Damals haben wir uns nächtelang gefragt, wer wir sind – heute weiß ich das auch nicht.“ Seit zwei Jahren lebt der Psychiater mit der Diagnose Demenz. „Situativ bekomme ich schon Ärger auf mich selbst, aber letztlich ist es körperlich begründbar, dass es da oben im Kopf anders ist. Man muss versuchen, das zu akzeptieren. Wenn man anfängt, zu hadern, ist es viel schlimmer.“
2004 war das Clarenbachwerk die erste Einrichtung in Köln, die einen Wohnbereich für Demenzkranke nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eröffnete, jetzt diskutierte Moderatorin Carmen Thomas mit Betroffenen, Angehörigen, Pflegekräften und politischen Entscheidern. Denn Fragen rund um Demenz beschäftigen immer mehr Menschen, die selbst oder in ihrer Familie mit der Erkrankung konfrontiert sind: In NRW liegt die Zahl der Demenzkranken bei rund 300.000, bis 2050 wird sie sich durch die steigende Lebenserwartung wohl verdoppeln. Kleinfamilien und Singlehaushalte erfordern dabei neue Wohnbedingungen und Unterstützung. „Leben mit Pflegebedürftigkeit kann mit Hilfe von ambulanten Diensten, in Wohngemeinschaften, Tages- und Kurzzeitpflege oder stationären Einrichtungen durchaus ein lebenswertes Leben sein“, beschrieb der Sozialwissenschaftler Roland Weigel.
Waren noch vor 20 Jahren 4-Bett-Zimmer und ein Funktionsnachttischchen üblich, gibt es heute Wohnbereiche mit Orientierungshilfen und persönlichem Mobiliar. Speziell ausgebildete Pflegekräfte, Altentherapeuten und Alltagsbetreuer bieten etwa Biografiearbeit, Gedächtnistraining und individuelle Begleitung an, denn Demenz verläuft sehr unterschiedlich und erfordert passgenaue Hilfen – ambulant wie stationär. Einig waren sich alle Referenten darin, dass der Verlust von Rationalität nicht das Ende aller Identität und Würde ist. „Demenz ist ein Zustand, in dem die Selbstbestimmung keineswegs aufgehoben ist. Sie ist nicht daran gebunden, dass sich jemand klar und logisch äußert. Es gibt viele Möglichkeiten, seinen eigenen Willen auszudrücken“, so der Arzt Michael de Ridder. Er fordert, Demenz zu enttabuisieren: „Wenn meine demente Großmutter im Café die Torte auf den Boden schmeißt, wünsche ich mir, dass unsere Gesellschaft darum kein Aufhebens macht.“ Fragen zum Thema Demenz beantwortet der Einrichtungsleiter des Heinrich-Püschel-Hauses im Clarenbachwerk, Paul Wirtz, unter Telefon 0221-4985486.
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